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Osram. Wer ist eigentlich auf diesen Spitznamen für Jupp Heynckes gekommen (rhetorische Frage; Wolfram Wuttke soll es gewesen sein, ich weiß)? Der würde doch für seinen ehemaligen Anwalt viel besser passen. Die hoeneßsche Glatze schien in sämtlichen Nuancen des roten Farbspektrums zu glänzen. Vielleicht lag es auch nur an der geschätzten Maß Schweiß, die im gleißenden Licht der ZDF-Scheinwerfer gerade ihren Aggregatzustand änderte.
Dabei hatte es sich so gut angelassen, gestern im Aktuellen Sportstudio. Statt des im deutschen Fernsehen üblichen Experten-Inzest präsentierte KMH mit Diplom-Psychologe Christian Nawrath einen ausgewiesenen Fachmann für die Psyche von Bundesliga-Trainern. Doch dann kam der unsägliche Auftritt des bayrisch-schwäbischen Empörungsmaschine. Außen rot, innen pechschwarz, Puls auf 180.
Verflucht sei Konrad Zuse
Das Internet. Verantwortlich für alles, was Ulrich U. Heoneß nicht versteht. Das Internet ist/war also schuld, generell unsere ständige Erreichbarkeit. Am Burnout-Syndrom von Ottmar Hitzfeld, an Sebastian Deislers Depressionen, an den aktuellen Problemen von Ralf Rangnick und auch vergleichbaren Erkrankungen von Normalsterblichen „in den Firmen“.
„Das alberne Handy, den Eipätt, den Computer“ einfach mal ausschalten und versuchen „ein normaleres Leben zu führen“: Ulrich Hoeneß‘ Erfolgsrezept für ein glücklicheres Dasein. Es verwundert, dass die Lochkarte nicht auch noch ihr Fett weg bekam.
Eigentlich wollte ich nichts zu Ralf Rangnicks Rücktritt schreiben. Doch so einen fahrlässigen Umgang mit diesem ernsten Thema kann ich einfach nicht kommentarlos hinnehmen.
Wie kommt man – ganz allgemein – eigentlich auf die Idee, Menschen, die in einem bestimmten Bereich (hier: Manager eines Bundesligavereins) ohne Zweifel sehr erfolgreich waren, vor einem Millionenpublikum bei sämtlichen gesellschaftlichen Debatten zu Wort kommen zu lassen? Und wieso billigt man ihnen dabei sogar Expertenstatus zu?
Wie – im diesem speziellen Fall – in Gottes Namen kommt man auf die Idee, Ulrich Hoeneß zu psychischen Problemen zu befragen, die in vielen Fällen mit Selbstzweifeln und Versagensängsten korrelieren? Einen Mann, der in rund 30 Jahren als Bayern-Manager und -Präsident ungefähr nie den Eindruck erweckt hat, an sich und seinen ganz eigenen Wahrheiten zu zweifeln. Einen Mann, der, angesprochen auf Ribérys Stelldichein mit einer minderjährigen Edel-Hure, einem verdutzten Journalisten brüllend die Gegenfrage stellte, ob er sich denn im Puff immer den Ausweis der Prostituierten zeigen lassen würde.
Reaktionär, sich auch ohne Argumente stets im Recht fühlend, die vermeintliche Doppelmoral kritischer Fragen mit unverschämten Unterstellungen aufzeigen wollend – all das zeichnet ihn aus, diesen Edmund Stoiber für Beine. Noch einmal: So jemand soll irgendetwas Gehaltvolles zu derart komplexen Krankheiten zu sagen haben, die (vermeintlich) eher sensible, sich selbst reflektierende Menschen heimsuchen?
Prost
Es sind nicht das alberne Handy, der Eipätt oder der Computer, die – da möchte ich ausnahmsweise zustimmen – den zunehmenden Druck auf jeden Einzelnen verursachen.
Es ist vielmehr dieser Cocktail aus einer weit verbreiteten Stammtischmentalität, die den Arbeitslosen und nicht die Arbeitslosigkeit als Grundübel begreift, dem deutschen Volkssport „nach oben buckeln und nach unten treten“, sozialer Ungerechtigkeit, prekären Vollzeitarbeitsverhältnissen, Vitamin B > Fachwissen, der Hauspostille mit den vier Buchstaben, unbezahlten Praktika oder der Markthörigkeit unserer Regierungsmarionetten, der nicht nur mir übel aufstößt. Der verunsichert und letzten Endes Ängste, Existenzsorgen und Druck erzeugt.
Schnitt. Lieber Ralf Rangnick, Sie werden diesen Text vermutlich nie lesen. Dennoch möchte ich Ihnen gute Besserung wünschen. Und vielleicht sieht man sich in manchen Fällen ja auch dreimal im Leben.