Jürgen Klopp hat keine Katar-Kritik gesehen

Missachtete Menschenrechte, getötete Arbeiter, institutionalisierter Schwulenhass, Benachteiligung von Frauen, brutale Wetterbedingungen, fragwürdige finanzielle Verstrickungen: Alles, was ich über Katar weiß, weiß ich entweder von Journalisten oder „aus den Medien“ im weiteren Sinne. Ich war weder jemals dort, noch besuche ich Jahreshauptversammlungen des FC Bayern. Von Anfang an, also seit Katar 2010 die Austragung der WM zugesprochen bekam, wird in deutschen Medien über die Kritikwürdigkeit dieser Vergabe berichtet.

Klopp Katar

Zugegebenermaßen kenne ich mich mit der deutschen Medienlandschaft besser aus als mit der in England. Dort lebt und arbeitet Jürgen Norbert Klopp seit 2015. Jener Fußballlehrer, der missliebige Journalisten gerne mal als Seuchenvogel oder Tierfilmer herabwürdigt. Oder einfach direkt beifallheischend vor den Bus wirft, wenn sie es wagen, ihm eine vollkommen harmlose und naheliegende Frage zu Corona-Maßnahmen zu stellen.

Franz Beckenbauers berühmt-berüchtigtes Sklaven-Zitat stammt aus dem Jahr 2013 – da wirkte Klopp noch in Deutschland und hätte die anschließende Diskussion mitbekommen können. Mindestens seit dem gleichen Jahr berichtet der Guardian, eine der anerkanntesten und seriösesten Nachrichtenquellen der Welt, über tote Arbeiter. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in beiden Ländern reden sich die Münder fusselig. Seit über einem Jahrzehnt. Das alles lässt sich mit der Suchmaschine eurer Wahl leicht rekonstruieren.

Diese Faktenlage hinderte Jürgen Klopp gestern nicht nicht daran, angesichts des sich nähernden Turnierbeginns einen Schlussstrich zu fordern. Ab sofort bitte keine kritischen Fragen an Spieler und Trainer mehr, denn „Journalists […] should have sent a massage“ – Journalisten hätten lange genug Zeit gehabt, eine Botschaft zu senden.

Fakt ist: Das Fußball-Geschäft, zu dem eben auch Jürgen Klopp zählt, will von den Zuständen in Katar nichts wissen. Es ignoriert seit Jahren sämtliche Warnungen, Medienberichte und Fanproteste. (Un-)Fair enough. Dass sich Klopp nun aber hinstellt und ernsthaft einen Mangel an journalistischem Engagement herbeiphantasiert, ist von einer derartigen Dreistigkeit, für die mir fast die Worte fehlen. Aber eben nur fast.

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