Hannover 96 feiert fünf Jahre „Volunteer-Programm“. Oder besser: feierte – im August 2010 stieg die große Jubiläums-Sause in der pulsierenden Party-Metropole an der Leine.
Wer nicht alles da war! Lauter nette Leute, die ihre Lobby zum Beruf gemacht haben. So beehrte uns unter anderem Herr Innenminister Schünemann (DU) mit seiner Anwesenheit, sprach vermutlich ein paar warme Worte, schüttelte Hände – Käffchen? –, streichelte über Kinderhaar. Und natürlich ließ sich auch Martin Kind die Teilnahme nicht nehmen.
Genau, der kreuzsympathische „Selfmade-Millionär„, der „kein Robin Hood“ sei, fußballspielende Vereinsangestellte vor nicht all zu langer Zeit auch schon mal „kotzen“ sehen wollte und trotz chronischer Schwierigkeiten beim Lösen vergleichsweise einfach erscheinender Additions-Aufgaben (50+1) genau weiß, dass eben jene Spieler „viel zu viel Geld“ verdienen.
Und wenn schon die Spieler zu teuer sind, muss eben beim gemeinen Humankapital gespart werden. Überraschenderweise erfährt man nicht, wie viele zuvor regulär als Ordner/-in, Ticketverkäufer/-in, Empfangsdame/-herr oder IT-Spezialist/-Girl Beschäftige – ja, auch in derart „sensiblen Bereichen“ werden die 80(!) Volunteers inzwischen eingesetzt – so dem Arbeitsmarkt übergeben werden konnten.
Nicht verschweigen wollen wir die Tatsache, dass, zumindest in diesem Fall, Ausbeutung auch eine zweite Seite der Medaille hat. Erwachsene Menschen, die ihre Zeit und Arbeitskraft an ein Millionen umsetzendes „Wirtschaftsunternehmen“ verschenken: Sind nicht nur strunzdumm, sondern auch noch höchst unsolidarisch.
„Am Ende des Tages“ (KH Rummenigge) reift die Erkenntnis, dass Hannover 96 und diese Volunteer-Würste die Pejoration des Ehrenamt-Begriffes auf ein neues Allzeittief getrieben haben. Es wäre demnach nur recht und billig, wenn im Gegenzug auch andere Ausdrücke eine Bedeutungsveränderung erfahren würden. Wer also fügt den Link zur Webseite eines zukünftigen Euroleague-Teilnehmers in den Wikipedia-Artikel zu „Sozialschmarotzer“ (ja, gibt es wirklich) ein?
Hast du dir die Aufgaben der Volunteers mal angeguckt? Die verkaufen keine Tickets. Die sind auch nicht als Ordner eingeteilt. Die Volunteers sagen Besuchern nur wo sie ihre Plätze finden, wo man Chipkarten aufladen kann etc. Dafür bekommen sie 96 Klamotten und freien Eintritt zu den 96-Heimspielen.
Der Beitrag schießt aus meiner Sicht auf die falsche Einrichtung (und das anlässlich eines Jubiläums vor über einem halben Jahr).
Ich habe ihnen nicht bei der Arbeit über die Schulter gesehen, sondern kann mich nur auf die Infos in diesem Text auf der 96-Webseite beziehen.
Ich zitiere: „Dass die Volunteers inzwischen auch in sensiblen Bereichen wie dem Ticketing, der EDV oder der Kinderbetreuung zum Einsatz kommen, zeigt das besondere Maß an Vertrauen, das ihnen entgegengebracht wird.“
Während man als Ordner oder meinetwegen auch Platzanweiser (s. u.) sicher nicht unbedingt eine Berufsausbildung braucht und diese Tätigkeiten somit auch eher im Niedriglohnbereich anzusiedeln sind, bin ich dennoch 100%ig dafür, dass auch solche Jobs bezahlt werden müssen.
Und EDV ist ja nun unmissverständlich – hier werden eine oder mehrere Arbeitsstellen eingespart.
Besuchern sagen, wo sie ihre Plätze finden, ist so ziemlich genau das, was sonst Ordner (nicht Security!) machen. Aber sei’s drum: Auch solche Tätigkeiten sollten bezahlt werden. Was hat das mit einem Ehrenamt zu tun? Hier wird doch kein Hund ausm Tierheim mal für ein Stündchen Gassi geführt.
Das Argument, dass man dann freien Eintritt für etwas erhält, was man anderenfalls gar nicht zu Gesicht bekommen hätte, hab ich auch schon im Rahmen der WM 2006 gehört. Im Rahmen von Olympia 2008, 2010, 2012, 2014, von allen EM seit annodunnemal und so weiter und so fort.
Es wird nicht richtiger, aber auch nicht falscher.
Die Kohle, die man eigentlich für eine solche Tätigkeit bekommen könnte, geht dann eben in die Taschen der Organisatoren/Ausrichter.
Das ist einfach zynisch. Und ich meine zynisch und nicht sarkastisch. Und wer es mitmacht, hat wirklich den Schuss nicht gehört, sei die durchaus verständliche und nachvollziehbare Liebe zum Ereignis auch noch so groß.
Diskutieren bringt da allerdings sicher nicht viel, entweder man ist dieser Auffassung oder einer anderen. Ich kann jedenfalls nicht anders als mir an den Kopf fassen, weil es so weh tut beim Lesen, wenn jemand für ein T-Shirt und eine Eintrittskarte _arbeitet_. Nicht beim eigenen Straßenfest oder im Altersheim. Sondern für ein Unternehmen. Eine Leistung erbringt, die sonst vergütet werden müsste.