Rezension: „René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi packt aus“ (Löer, Schäfer)

Rene Schnitzler - Zockerliga

Anfang 2011 gestand René Schnitzler den Ermittlern der Staatsanwaltschaft Bochum, für die Manipulation von Spielen in der 2. Bundesliga insgesamt 100.000 Euro von einer internationalen Wettmafia erhalten zu haben. In ihrem Buch “Zockerliga. Ein Fußballprofi packt aus” porträtieren Wigbert Löer und Rainer Schäfer den ehemaligen Fußballprofi (Borussia Mönchengladbach, FC St. Pauli), der umfassend und schonungslos über seinen Weg in die Spielsucht bis hin zum absoluten Tiefpunkt berichtet. Insgesamt handelt es sich bei ihren Ausführungen aber um mehr, als nur die Darstellung eines Einzelschicksals.

Denn vieles deutet darauf hin, dass die Spielsucht etliche Akteure in den professionellen Spielklassen erfasst hat. Egal ob es die illegalen Pokerturniere in einem offenbar legendären Etablissement in Viersen, die Schilderung der elegant-dekadenten Stimmung während einer Zusammenkunft beim Roulette oder die durch die Langeweile des Trainingslageralltags lancierten Wetten auf Banalitäten sind – scheinbar ist René Schnitzler nicht der einzige, der sich der Glücksspiel-Leidenschaft hingegeben hat und daran gescheitert ist.

Den Recherchen liegt oft eine vermeintlich einfach Überlegung zugrunde: Was machen Fußballer eigentlich in ihrer Freizeit? Neben Trainingseinheiten, Spielen, Reisen und Werbeveranstaltungen gibt es auf den ersten Blick nicht viel, was die Spieler miteinander verbindet. Tatsächlich aber muss hinter den Kulissen der Profi-Ligen ein stetig gestiegenes Interesse für die unterschiedlichen Angebote der Wett-Branche zu beobachten gewesen sein. Diese, so scheint es, erreichen inzwischen die Spieler aller Ligen des DFB und haben sich vielerorts zu einem auch gemeinschaftlich ausgeübten Hobby entwickelt.

Es könnte alles so einfach sein

Wann scheitern Disziplin und Selbstkontrolle? An welchem Punkt wäre es besser, sich mit seinen Problemen an Vereinsverantwortliche zu wenden und/oder professionellen Hilfsangebote anzunehmen? Wieso ist das Zocken ein so elementarer Bestandteil der Freizeitgestaltung vieler Spieler? Solche und ähnliche Fragen rücken im Verlauf des Buches thematisch in den Mittelpunkt.

Dabei sollte natürlich zunächst einmal bedacht werden, dass es, maßvoll ausgeübt, auch bei Wettspielen eine gewisse Toleranzgrenze gibt. Bei Schnitzler kam allerdings jede Hilfe zu spät. Die Folgen seiner Neigung gingen weit über das hinaus, was man vielleicht noch als „Privatsache“ abtun könnte. Denn seine Zockerei beschränkte sich eben nicht nur auf die Casino Spiele. Sportwetten, auch auf Partien des eigenen Teams, waren Teil einer unaufhaltsamen Abwärtsspirale, die Abhängigkeit, einen unprofessionellen Lebensstil und – am Schlimmsten – eine massive Überschuldung mit sich gebracht hat.

Am Ende seiner ersten Saison bei St. Pauli kam es zum verhängnisvollen Treffen mit dem Wettpaten Paul R. in einem niederländischen Hotel. Der 1,87 m große Mittelstürmer spielte zu diesem Zeitpunkt noch einigermaßen regelmäßig, hatte allerdings bereits große Geldprobleme. Schnitzler stieg auf dessen Angebot ein und nachdem das Ergebnis im ersten Spiel gegen Mainz auch ohne seine Teilnahme für Zufriedenheit sorgte, kam es zu weiteren Absprachen und Zahlungen. Schnitzler beteuert aber nach wie vor, nie aktiv manipuliert zu haben.

Stärken und Schwächen des Buchs

Wieso Schnitzler als eigentlich sympathischer Hallodri, dem man nicht wirklich böse sein kann, skizziert wird, kann ich nach Lektüre des Buches und Verfolgen diverser Medienberichte nicht nachvollziehen. Ein Mensch – unzuverlässig und egozentrisch –, der permanent trickst und betrügt, wirkt auf mich jedenfalls schon per se nicht besonders sympathisch. Darüber hinaus hat Schnitzler mehrfach nicht nur sich selbst, sondern beispielsweise auch mutmaßlich unschuldige Mitspieler wie Mathias Hain in Schwierigkeiten gebracht. Und das nur, weil ihm gerade keine bessere Notlüge eingefallen ist.

Auch das Buch, zwar lebhaft geschrieben und wirklich angenehm flüssig zu lesen, kommt keineswegs fehlerlos daher. Zu oft behelfen sich die Autoren mit Werkzeugen des Boulevards. Obendrein lässt manche ungelenke Formulierung (Beispiel: „Er [der kleine René] schoss Tore, als andere Kinder noch Gänseblümchen pflückten.“) erahnen, dass das Werk aus monetären Gründen möglichst rasch nach Enthüllung des Skandals auf den Markt geworfen werden musste.

„Zockerliga“ kann keine Empfehlung darüber abgeben, wie Fußballverbände ihre Spieler besser schulen und damit aktiv vor den Versuchungen des Wettens bewahren können. Vermutlich wird es also auch in der Zukunft zu Skandalen wie diesem oder den um den Schiedsrichter Robert Hoyzer kommen.

Fazit: Zockerliga

Ein unterhaltsames Buch, das den Leser trotz boulevardesker Momente und kleiner handwerklicher Schwächen durchaus zu fesseln vermag. Für ein Taschenbuch mit dem Potential von etwa zwei bis drei Tagen Lesespaß ist es mit mit einem Verkaufspreis von 16,99 EUR aber deutlich zu teuer.


Produktinformation

René Schnitzler. Zockerliga: Ein Fußballprofi packt aus
Autoren: Wigbert Löer, Rainer Schäfer
Paperback, 208 Seiten
Verlag: Gütersloher Verlagshaus (22. August 2011)
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-579-06691-2
Preis: 16,99 EUR [D] | 17,50 EUR [A] | CHF 24,50

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Hinweis

Da wir im Gegensatz zu den meisten Zockern gerne mit offenen Karten spielen, möchten wir auf folgenden Sachverhalt aufmerksam machen: Das Buch wurde uns von einer Informationsseite rund um das Thema Online-Casinos zur Besprechung zur Verfügung gestellt. Auf dieses Internetangebot wurde im Haupttext zwei mal verwiesen. Wir möchten allerdings ausdrücklich betonen, dass dieser Umstand keinerlei Beeinflussung der Bewertung zur Folge hatte. Wir bedanken uns herzlich für die unkomplizierte Zusammenarbeit.